Otto Schmidt Verlag

BGH 18.10.2012, I ZR 137/11

Zur Zulässigkeit der Bezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei als Steuerbüro

Erbringt ein Rechtsanwalt zu einem überwiegenden Teil seiner Berufstätigkeit Hilfeleistungen in Steuersachen und ist deshalb die Angabe "Steuerbüro" in seiner Kanzleibezeichnung objektiv zutreffend, so ist diese Angabe nicht allein deshalb als irreführend zu verbieten, weil ein Teil der an diesen Dienstleistungen interessierten Verbraucher aus der Angabe "Steuerbüro" den unrichtigen Schluss zieht, in der Kanzlei sei auch ein Steuerberater oder ein Fachanwalt für Steuerrecht tätig.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Berufskammer der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, die im Bezirk der Oberfinanzdirektion Cottbus ihre berufliche Niederlassung haben. Nach § 3 ihrer Satzung hat sie die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu wahren. Der Beklagte ist ein Rechtsanwalt, der im Bezirk der Klägerin eine Kanzlei unterhält. Er bietet dabei auch Steuerberatungsleistungen an, die nach seiner Darstellung etwa zwei Drittel seiner Gesamttätigkeit ausmachen. Über eine Fachanwaltsqualifikation für Steuerrecht verfügt er nicht.

Im örtlichen Telefonbuch ist der Beklagte mit dem Eintrag "Rechtsanwaltskanzlei - Steuerbüro" verzeichnet. Auf dem von ihm verwendeten Briefkopf findet sich rechts oben die Angabe "Rechtsanwaltskanzlei & Steuerbüro"; unterhalb des Anschriftenfelds ist dann ebenfalls auf der rechten Seite der volle Name des Beklagten mit dem Zusatz "Rechtsanwalt" wiedergegeben. Die Webseite des Beklagten enthält oben die farbig hervorgehobene Angabe "Rechtsanwaltskanzlei und Steuerbüro".

Nach Ansicht der Klägerin stellt die Werbung des Beklagten mit dem Begriff "Steuerbüro" einen Verstoß gegen die berufsrechtlichen Regelungen des § 7 BORA über die Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit dar; zudem sei sie irreführend i.S.v. § 5 UWG. Es werde bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, es handele sich um die Kanzlei auch eines Steuerberaters oder Fachanwalts für Steuerrecht, der über besondere Kenntnisse im Steuerrecht verfüge. Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, er sei befugt, mit der Bezeichnung Steuerbüro darauf hinzuweisen, dass ein Schwerpunkt seiner Kanzlei in der Bearbeitung von Steuerangelegenheiten liege.

Das LG wies die auf Unterlassung gerichtete Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das vom OLG gegen den Beklagten nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG i.V.m. § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgesprochene generelle Verbot, im beruflichen Verkehr eine Kanzleibezeichnung unter Verwendung des Wortes "Steuerbüro" zu führen, hat in der vom OLG dafür gegebenen Begründung keine hinreichende Grundlage.

Das OLG hat angenommen, die Bezeichnung "Rechtsanwaltskanzlei und Steuerbüro" werde von maßgeblichen Teilen des Verkehrs so verstanden, dass in der Kanzlei ein Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht tätig sei. Dies sei in der Kanzlei des Beklagten nicht der Fall. Die danach bestehende Gefahr der Irreführung werde unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht dadurch beseitigt, dass im Telefonbucheintrag, auf den Kanzleibriefbögen und im Internetauftritt allein der Beklagte genannt sei. Diese Feststellungen rechtfertigen jedoch kein allgemeines Verbot der Verwendung dieser Bezeichnung.

Das OLG ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die beanstandeten Werbemaßnahmen des Beklagten zur Täuschung ihrer Adressaten geeignete Angaben enthalten. In der Beurteilung des OLG, ein erheblicher Teil der an Hilfeleistung in Steuersachen interessierten Verbraucher verstehe die genannte Bezeichnung dahin, dass in der beworbenen Kanzlei entweder ein Rechtsanwalt und ein Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht tätig seien oder dort ein Berufsträger arbeite, der über beide Qualifikationen verfüge, lässt sich insoweit kein Rechtsfehler erkennen. Das OLG hat es jedoch versäumt festzustellen, ob vorliegend nicht von einer objektiv richtigen Angabe auszugehen ist, deren Verbot eine Interessenabwägung erfordert.

Vorliegend kommt es in Betracht, dass die vom Beklagten verwandte Angabe "Steuerbüro" in seiner Kanzleibezeichnung objektiv zutreffend ist. Der Beklagte hat behauptet, der Anteil der steuerberatenden Tätigkeit mache zwei Drittel seiner gesamten Tätigkeit aus. Er beschäftige drei Steuerfachangestellte und einen Diplom-Betriebswirt. Sollten diese Angaben zutreffen, ist die Bezeichnung "Steuerbüro" für sich genommen objektiv richtig. Zu den in § 3 StBerG im Einzelnen angeführten Personen, die zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, gehören nach der Nr. 1 dieser Bestimmung u.a. Rechtsanwälte. Der Beklagte ist daher zur steuerrechtlichen Beratung und Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt. Auf diesen Umstand und darauf, dass er diese Tätigkeit in nennenswertem Umfang ausübt, darf er grundsätzlich auch schlagwortartig in dem von ihm verwendeten Briefkopf, im Internetauftritt und in Telefonbucheinträgen mit seiner Kanzleibezeichnung hinweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird das OLG zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen haben, dass es für ihn von erheblicher Bedeutung ist, in seiner Kanzleiangabe auf die Bezeichnung "Steuerbüro" hinzuweisen. Müsste er die beanstandete Angabe durch die vorgeschlagenen Angaben "Interessenschwerpunkt" oder "Tätigkeitsschwerpunkt" Steuerrecht ersetzen, wäre er auf die Benennung von Teilbereichen seiner Berufstätigkeit i.S.v. § 7 BORA beschränkt und an der Verwendung einer objektiv zutreffenden Kanzleibezeichnung gehindert. Der Umstand, dass nur ein kleiner Teil der Rechtsanwälte umfassend steuerberatend tätig ist, obwohl sie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen ohne Einschränkungen befugt und auch nicht auf die Verwendung bestimmter Bezeichnungen festgelegt sind (§ 43 Abs. 4 S. 3 StBerG), würde verfestigt, wenn steuerberatend tätige Rechtsanwälte durch das Wettbewerbsrecht daran gehindert würden, die Verkehrskreise in objektiv richtiger Weise vorliegend durch die Verwendung der Bezeichnung "Steuerbüro" über diesen Umstand zu unterrichten.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.03.2013 12:03
Quelle: BGH online

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